Garageninspektionen gehören zu meiner beruflichen Lieblingstätigkeit. Dabei kann ich der zu inspizierenden Garage meine volle Aufmerksamkeit schenken. Konzentriert schreite ich dabei jeden Winkel des Bauwerkes ab und suche im Schein meiner Taschenlampe nach Rissen, Abnutzungen oder sonstigen Mängeln. Bei Passanten sorgt das manchmal für erstaunte Gesichter. Wenn ich mit einer Taschenlampe bewaffnet eine Garage inspiziere, werde ich von Parkkunden bedauert.

Während ich den Boden und die Deckenuntersichten systematisch nach Rissen absuche, fragen sie mich höflich, ob ich etwas verloren hätte. Einmal wurde mir sogar ein gefundener Wohnungsschlüssel angeboten. Meine Antwort lautet dann immer „Nein danke, ich habe nichts verloren, ich bin auf der Suche nach Rissen in der Bodenbeschichtung“.
Die Böden der Tiefgaragen und Parkdecks werden immer öfter mit bunten, meist mehrfärbigen Kunstharzbeschichtungen versehen. Diese Bodenbeläge erscheinen dem vorbeieilenden Laien wie bunte Anstriche, die zur Verschönerung dienen.
Kunststoffbeschichtungen auf den horizontalen befahrbaren Flächen sind jedoch hochkomplexe mehrschichtige Oberflächenschutzsysteme (OS-Systeme) aus dem Chemielabor. Sie haben eine enorm wichtige Aufgabe, nämlich den Schutz des Stahlbetontragwerkes vor dem Eindringen von Wasser und Chlorid und damit vor Bewehrungskorrosion. Da sie direkt befahren werden können, ist ihre Nutzungsdauer wesentlich geringer als die einer bituminösen Abdichtung. Ihre Wirksamkeit ist aber trotzdem auf die gesamte Nutzungsdauer, also zumindest 50 Jahre, zu gewährleisten.

„Zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit von direkt befahrenen Parkdecks ist aus den genannten Gründen stets zu beachten, dass Risse und Arbeitsfugen dauerhaft geschlossen bzw. geschützt werden müssen, um Schäden durch eindringendes chloridhaltiges Wasser und damit durch die chloridinduzierte Korrosion der Bewehrung zu vermeiden.“ (Erläuterungen zu DIN 1045-1, Heft 525 in der Schriftenreihe des DAfStb, 2. überabeitete Auflage 2010, Beuth-Verlag).
In der Instandhaltung ist der kritische Bereich für den Schutz die Zeit zwischen Verlust der Funktionsfähigkeit und Erneuerung der Beschichtung. Nur eine jährliche Inspektion stellt eine ausreichende Wartung und Instandhaltung sicher. In den ersten 5 Jahren werden meist Ausführungsmängel sichtbar:

Risse oder bereits punktuelle Ablösungen in der Versiegelung, aber auch falsche Anschlussdetails von Einbauteilen wie Dehnfugen und Entwässerungsrinnen. Bereits nach 5-7 Jahren kann es an hoch beanspruchten Stellen, wie z.B. in Kurvenbereichen zur vollen Abnutzung der Versiegelung kommen. Eine Erneuerung des beanspruchten Bereiches ist dann dringend durchzuführen, damit der ausreichende Schutz gewährleistet bleibt.

Spätestens nach ca. 10-15 Jahren ist die Versiegelung in den meistbefahrenen Bereichen abgenutzt und bei fehlender Wartung auch die Beschichtung punktuell bis zum Beton durchgefahren.
Nicht zu vergessen Mängel und Schäden entstehen auch an schlecht beleuchteten oder schwer zugänglichen Stellen. Eine systematische Inspektion des Bodens und der Decke durch ein geschultes Auge stellt daher sicher, dass kein unnötiges „Chloridrisiko“ für das Bauwerk entsteht. Untersuchungen haben nämlich gezeigt, dass bereits eine Wintersaison, in der das Tragwerk ungeschützt ist, ausreicht, um den Stahlbeton mit Chlorid zu beaufschlagen. Die deutlichen Spuren der chloridinduzierten Korrosion werden dann erst einige Jahre später sichtbar.
Aufgrund vieler Empfehlungen in Richtlinien erkennen immer mehr Bauherren und Hausverwaltungen mittlerweile die Wichtigkeit der Garagen-Inspektion. Neben einer professionellen Ausführung der Beschichtung ist auch die regelmäßige Kontrolle ein wichtiger Beitrag zur Dauerhaftigkeit des Bauwerkes.
Wenn Sie also in Zukunft jemand mit einer Taschenlampe in der Garage sehen, so ist er oder sie höchstwahrscheinlich auf der Suche nach dem „verlorenen Schutz“ des Parkdecks.